„„Shadowman“ ist wahrscheinlich das komplexeste und auch das düsterste und undurchsichtigste Lied von K’s Choice. Mir scheint es so, als ob andere Songs wie z.B. „Busy“, „Losing You“ oder „Wait“ einen Kummer ausdrücken, den man in den Griff bekommen kann, während „Shadowman“ einen nicht mehr zu bewältigenden Schmerz beschreibt.
Bei der Interpretation würde ich damit anfangen, dass, während viele andere Lieder der Band den Verlust eines anderen (geliebten) Menschen zum Thema haben, es in „Shadowman“ vor allem um einen Selbstverlust, die Auflösung der Identität geht. Dazu gehört, dass man sich vor anderen Leuten verstellt („Any time tomorrow I will lie and say I’m fine / I’ll say yes when I mean no“ / „Any time tomorrow I’ll pretend to see the light“), und dass man die Hilfe anderer nicht mehr annehmen kann oder will („Let go of my hand / not now I’m down my friend“ / „Doesn’t it make you sad to see so much love denied, see nothing but a shadowman inside“). Danach geht die eingeübte Handlungsroutine verloren, das Bekannte und Alltägliche wird fremd und beängstigend („Like no other used to know it all by heart, but a shadowman inside has let it go“). Unverständnis für das eigene Schicksal bzw. die eigene Abgeschlagenheit und Müdigkeit werden ebenso thematisiert („Any time tomorrow I’ll get sick of asking why, sick of all the darkness I have worn“).
Ich denke der Begriff „Shadowman“ steht symbolisch für eine innere Aushöhlung und Verarmung, so wie man ja im Deutschen (und im Englischen ganz ähnlich) sagen kann „Er/Sie ist nur noch ein Schatten seiner/ihrer selbst“. Der Schatten ist vielleicht auch ein dunkler, nicht beherrschbarer Teil der Persönlichkeit, eine Depression.
Die Koda ist ein Flehen, an irgendeine Person, von der man sich Rettung erhofft; musikalisch sind die Zeilen so umgesetzt, dass man beim Hören sofort merkt, wie unwahrscheinlich diese Rettung tatsächlich ist.
Der Text von „Shadowman“ nimmt zur Beschreibung eines depressiven Gefühlszustands die dafür typischen Metaphernfelder „hell/dunkel“ oder „oben/unten“ zur Hilfe. Wenn ich den Text als Gedicht gelesen hätte, ohne Musik, wäre ich vielleicht gar nicht sonderlich davon berührt worden. Das Geniale an diesem Song ist (mehr noch als bei anderen von K’s Choice), wie hier Text und Musik ineinandergreifen, um ein einheitliches Bild eines emotionalen Zustands zu geben. Ich finde das eine sehr intensive Erfahrungen; aber man muss sich wirklich richtig darauf einlassen (und man müsste einmal extra über den Bezug Text-Musik schreiben).
Erstaunlich ist auch, dass „Shadowman“ auf dem Album direkt vor „Favorite Adventure“ kommt, sicher auch kein Zufall. Einen stärkeren Kontrast kann man sich nicht vorstellen: „Favorite Adventure“ ist eines der fröhlichsten und zuversichtlichsten Lieder der Band. „Shadowman“ ist wie ein pechschwarzer Himmel, an dem „Favorite Adventure“ leuchtet wie der hellste Stern. Einfach genial
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